Verkehrsversuch: Stellungnahme zur Resolution des Landkreises
10.11.2022
Im September dieses Jahres führte die Stadt Bayreuth einen Verkehrsversuch durch. Kreistag schießt mit populistischer Resolution über Ziel hinaus: Er überzeichnet mögliche Probleme und diskreditiert begründete Klimaschutz-Ambitionen der Stadt.
Gemeinsame Pressemitteilung des Klimaentscheids Bayreuth, des Radentscheids Bayreuth, der Scientists for Future Bayreuth und des VCDs Bayreuth
Vor einem Monat führte die Stadt Bayreuth einen Verkehrsversuch entlang der Bismarck- und Erlangerstraße durch. Es sollte getestet werden, wie sich eine Reduktion von vier auf zwei Fahrspuren auf den motorisierten Individualverkehr im Westen der Stadt auswirkt. Noch bevor Ergebnisse dieses Versuchs bekannt oder eruiert wurden, lehnte der Landkreis Bayreuth in einer Resolution vom 25. Oktober die “zugrundeliegende Zielsetzung” des Experiments “kategorisch ab”. Die angestrebte Umwidmung der Verkehrsflächen für den Radverkehr sei “widersinnig und nicht nachvollziehbar”, da es sich bei den betroffenen Straßen um Hauptverkehrsachen handle. Weil es in den Hauptverkehrszeiten zu einer zeitlichen Mehrbelastung für einige Verkehrsteilnehmer:innen gekommen wäre, sei der Plan grundsätzlich inakzeptabel.
Auch in der öffentlichen Debatte sowie im Regionalausschuss des Bayreuther Stadtrats wurden die vermeintlichen Probleme überbetont und die Vorteile des Versuchs für die Bayreuther Stadtentwicklung unterrepräsentiert. Daher treten die oben genannten unterzeichnenden Organisationen hiermit an die Öffentlichkeit, um die Resolution des Landkreises in einen evidenzbasierten Kontext zu stellen und die Klimaschutz- und Verkehrspolitischen Ambitionen der Stadt Bayreuth zu begrüßen.
Keine erheblichen verkehrlichen Belastungen
Entgegen den Befürchtungen des Kreistages kam es dem Leiter des Stadtplanungsamtes Herrn Meyer zu Helligen zufolge während des Versuchs nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Autoverkehrs. Die Verkehrsqualität sei weiterhin gut gewesen mit geringen Beeinträchtigungen zu Spitzenzeiten. Dieser geringen Mehrbelastung stehen mit einer Umwidmung des Verkehrsraumes zahlreiche potentielle Vorteile entgegen, die nicht nur der Stadt zugutekommen, sondern insbesondere auch den Bewohner:innen des Landkreises.
Verkehrswende senkt Verkehrsbelastung
Radinfrastruktur, die komfortabel, direkt, sicher und einheitlich ist, stellt eine erhebliche Incentivierung für den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad dar. Verkehrsengpässe lassen sich nicht mit mehr Fahrspuren lösen, sondern mit der Schaffung von attraktiven Mobilitätsalternativen.
Fahrradwege helfen Autofahrenden
Die so resultierenden Verkehrsverlagerungen sind insbesondere vorteilhaft für Autofahrende. Fahrradwege schaffen die Möglichkeit, den Raum des Bayreuther Verkehrs effizienter zu nutzen. Des Weiteren wird es durch die Schaffung von Radwegen einfacher, Verkehrswege räumlich zu trennen. So führen klare Wege für Fahrradfahrende dazu, dass sie weniger direkten Raum mit Autofahrer:innen teilen müssen und Konfliktpotential reduziert wird.
Flächenumverteilung senkt langfristige Unterhaltskosten der Stadt
Im Vergleich zu Autostraßen ist die Nutzung von Fahrradwegen mit weniger Abnutzung verbunden und ihr Neubau ist allgemein günstiger. Dies spart langfristig Ressourcen der Stadt, welche für andere sinnvolle Projekte frei werden.
Fahrradwege reduzieren die Belastung des Gesundheitssystems
Durch verbesserte Fahrradinfrastruktur werden mehr Menschen dazu motiviert, ein Verkehrsmittel zu nutzen, welches gesund ist - für alle. Nicht nur sinkt das Risiko für die Fahrenden, Krankheiten zu erleiden, die mit mangelnder Bewegung einhergehen, sondern eine Verkehrsverlagerung bewirkt auch eine Minderung an Feinstaub- und Lärmemissionen.
Umgestaltung steigert Verkehrssicherheit
Die Umgestaltung der Bismarck- und Erlanger-Straße würde es erstmals seit vielen Jahrzehnten ermöglichen, mit dem Fahrrad von der Innenstadt legal, sicher und auf direktem Weg in das Viertel rund um die Rupprechtstraße zu gelangen. Die zuvor genannte räumliche Trennung von Radwegen mit ausreichend Platz und der Straße für Autos erhöht somit die Verkehrssicherheit, weil Unfälle vermieden werden können. Sind Wege für Fahrradfahrende und Fußgänger:innen klar verständlich und einfacher zu befolgen, ist ihr Verhalten insbesondere für ÖPNV und Autofahrende vorhersagbarer.
Erhöhte Lebensqualität und Attraktivität der Stadt
Straßen prägen das Stadtbild und nehmen viel Raum ein. Ausgestattet mit Radwegen können diese nicht nur die Verkehrseffizienz erhöhen, sondern darüber hinaus auch als Orte des Austauschs dienen, wenn die Raumplanung im Verkehr nicht die kompromisslose Maximierung von Platz für Autos forciert. Entgegen der Annahme, dass Radwege die Erreichbarkeit der Innenstadt beschränken, sorgt eine Verkehrsverlagerung mit weniger Emissionen primär für eine attraktivere Stadt: sowohl für Besuchende als auch Anwohnende.
Mehr Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit
Fahrradmobilität ist schon heute günstiger als die Nutzung von Autos. Somit vergünstigen öffentliche Investitionen in Fahrradinfrastruktur die Mobilität von allen Menschen und bereiten eine weitere Alternative zum Auto. Pendelnde können raum- und zeit-effizienter als im eigenen Auto an ihr Ziel gebracht werden. Kinder können sich autonomer im urbanen Raum bewegen. Finanzschwache Haushalte können ihre Mobilitätskosten senken.
Stadt sollte weiterhin ambitionierte Fahrradinfrastrukturmaßnahmen vorantreiben
Eine verbesserte Koordinierung zwischen Stadt und Landkreis, wie sie der Kreistag wünscht, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Resolution stellte jedoch eine einseitige Präsentation von möglichen Problemen dar, die sich den Äußerungen des Stadtplanungsamtes darüber hinaus auch noch als vernachlässigbar erwiesen haben. Zudem hätte sich der Landkreis, entgegen seiner eigenen Darstellung, im Rahmen der Beteiligungsangebote des Stadtplanungsamtes durchaus frühzeitiger an den Planungen beteiligen können.
Auf Initiative des Radentscheides ging die Stadt Bayreuth mit dem Verkehrsversuch in Sachen Klimaschutz mutig voran.[1] Im eigenen Interesse sollte der Kreistag weniger Energie in die Erhaltung des Status Quo investieren, sondern mehr in eine erfolgreiche Verkehrswende. Die kommunale Verkehrswende muss dabei vom Ende her gedacht werden. Wie soll die Mobilität in Stadt und Landkreis 2030 aussehen? Angesichts der Klimakrise ist die Antwort darauf eindeutig: Mehr Radverkehr, mehr ÖPNV und weniger PKWs. In Summe wird Mobilität in Zukunft damit ein Mehr an Möglichkeiten darstellen, jeweils passend zum individuellen Bedarf: nicht nur PKWs, sondern auch (Lasten-)Räder, öffentlicher Nahverkehr, E-Roller, Car-Sharing-Modelle usw. Damit erweitern und vergünstigen wir unsere Bewegungsfreiheit, statt sie einzuschränken. Gleichzeitig gewinnen wir Flächen, die heute noch viel befahren oder zugeparkt sind und können diese für Sport- und Freizeitaktivitäten, für Erholungsräume uvm. nutzen.
Die strategischen Grundpfeiler für einen solchen Wandel werden heute gelegt. Auch der Kreisrat könnte heute damit beginnen.
[1]Hintergrund: Im Zuge der Verhandlungen mit dem Stadtrat verzichtete der Radentscheid damals auf eine Klage gegen die Stadt, welche im Gegenzug das Versprechen gab, den Umbau der Bismarckstraße zügig zu planen und umzusetzen.